Review

Bisweilen stand in den letzten Jahren der spanische Horrorfilm ja unter Generalverdacht, nichts wirklich falsch machen zu können, denn egal was die jungen Wilden von rund um Lloret del Mar so zusammen inszenierten, es war im schlechtesten Fall durchschnittlich.
Zu den angesehensten Beiträgen (veredelt natürlich durch ein US-Sofortremake) gehörte Jaume Balaguerós "[rec]", dessen Handkamera/Fakedoku-Style nach längerer Zeit mal wieder zu höheren Ehren kam: einem Closed-Room-Potboiler, in dem sich Angehörige eines Madrider Mietshauses und diverse Feuerwehrleute eines Seuchenausbruchs erwehren müssen, der aus Nachbarn tollwütige Sabberköpfe macht (wer da keinen Unterschied feststellen kann, sollte mal wieder umziehen).
Siebzig Minuten gepreßte Intensität und blutgierige Amokläufer im Dauerdunkel, freundlich garniert mit noch unheimlicherer Nachtsichtkamera, das gab spätestens beim Showdown formschön aufgestellte Haare, die vergessen ließen, daß manchmal etwas weniger Hysterie und mehr Systematik beim Rückzugsgefecht noch schöner gewesen wären.

Daß darauf "[rec]2" folgen würden, war mittels des großen Fragezeichens am Schluß und vor allem dank der beiläufig ausgestreuten Infos während des Showdowns (Priester extrahiert Virus als Grund für die bekannte "Dämonenbesessenheit" im Auftrag des Vatikans), eigentlich die logische Folge - und so setzen Paco Plaza und Balagueró genau an diesem Punkt an und lassen das Haus von einem Sondereinsatzkommando und einem Ministeriumswissenschaftler, der sich alsbald als Priester entpuppt, durchsuchen.

Was dann, um es kurz zu machen, entscheidend in die Hose geht. Die Fortsetzung exerziert so also in den ersten Minuten noch einmal den Vorgänger durch, um dann gleichzeitig zu versuchen, im Mai alles neu zu machen. Dazu wird dann die Backstory ein bißchen ausgearbeitet, allerdings so, daß mit der Stirn gar heftig gerunzelt werden kann.
Es ist zwar ganz erfrischend, daß man sozusagen ein Virus für dämonische Besessenheit extrahieren will, aber wieso machen die Jungs vom Papst das in einem siffigen Dachgeschoss Marke "Ich-wohne-seit-Finchers-"Sieben"-in-diesem-Stil" mitten in der City, anstelle eines einsamen Landhauses.
Viel schlimmer wiegt jedoch die Frage, wieso plötzlich die üblichen kirchlichen Hilfsmittel (Gebet, Hostie, Kruzifix) gegen die blutgierigen Viecher helfen, wenn das Problem ein medizinisches ist und siehe da: ist es ja gar nicht, hier gehts tatsächlich um die ganz üble Exorzismus-Nummer, so richtig mit Aktentaschenakne, Zahnfleischbluten, tiefer Stimme und ganz schlechtem Mundwerk.
Die netten Infizierten, die stets bereit sind, im Voll-Make-Up auf die Kamera zuzulaufen, stehen alle unter dem Zwang der Patientin Null und lassen sich nur durch Kopfschuß aufhalten, was irgendwie auch nicht zum Vorgänger paßt - allein, die Idee mit dem Kopf funktioniert auch nicht dolle.

Allein, die Idee, ein SEK mit ganzen VIER Männern loszuschicken, um ein Haus zu säubern, in deren Wohnungsfluren Jenson Button wenden üben könnte, ist natürlich ein enormer Fortschritt gegenüber ungelernten Feuerwehrmännern und weil man patent alles weitere verschweigt, geht schon bald allen flott die Psychomuffe. Dazu kommt ein wackerer Kirchenmann, der offenbar laut Drehbuch die Anweisung hatte, Infos nur bei Todesdrohung abzusondern und sich auch sonst nicht sonderlich kompatibel zu zeigen. Und weil das alles immer noch nicht reicht, um mehr als 35 Minuten vollzukriegen, blenden wir ab da auch noch auf drei nervtötende Teenager um, die sich einen Jux machen wollen und per Abwasserkanal in das Haus eindringen, samt einem Papi und einem von der "fire brigade".

Die Idee, das Szenario zu verbreitern; mehrere Kameras einzusetzen und auch sonst mit den Videomöglichkeiten zu spielen, ist noch immer gut, aber die Besessenheitsidee ist so cheesy und abgedroschen, daß sie die ganze Zeit über befremdet. Noch dazu scheint es immer noch reichlich Amokläufer im Haus zu gebem, mehr als zu erwarten gewesen wäre und schon bald bleiben viel mehr Fragen als Antworten, was im Vorläufer noch nicht der Fall war.
Stattdessen darf sich das Publikum mit einem fast ausschließlich enorm nervigen Cast herumschlagen, von den nervlich inkompetenten Polizisten, über den rabiaten Feuerwehrmann, den schlotternden Deppenpapi bis zu den drei Blagen (einer filmt ruhig, der andere post rum und das Mädel jault die ganze Zeit), die eigentlich alle nur noch sterben sollen, was man angesichts einer ernsthaften Fortsetzung eigentlich als billigen Dramaturgiewitz vermeiden sollte. Mit Charakterzeichnung oder Tiefe hat das alles also nichts zu tun, so daß man mit den Figuren auch nicht mitleidet, man ist eigentlich nur genervt, bis auf die jeweiligen Kameraträger, die freundlichst meistens die Schnauze halten.
Das Wiederauftauchen von Angela Vidal aus dem Vorgängerfilm hat dann auch den Flair eines Streckungsmittels und riecht stark nach einem angegammelten Schlußtwist, der dann übrigens aus der Mottenkiste der Horrorfilmgeschichte kommt und keinesfalls zu dem originellen Ansatz von [rec] paßt.

Relativ klein gehalten hat man (ganz nett) den Gore-Gehalt, der eigentlich verschwindend gering ausfällt, aber einen vermeindlichen Seuchenhorror binnen fünf Minuten unbegründet in einen maladen Okkultkäse umzustricken, der nun so gar keine Innovationen beinhaltet, ist fast schon ein Verbrechen.
Das soll nicht heißen, daß dabei nicht ein brauchbarer Standardhorror mit atmosphärischen Qualitäten und dem einen oder anderen makabren Moment herauskommt, aber alles in allem ist Standard manchmal nicht gut genug und Abgedroschenheit befleckt dann doch stark den guten ersten Eindruck.
Hoffen wir mal, daß für einen dritten Teil das Kind nicht schon mit den faden Hintergrundenthüllungen in den Brunnen gefallen ist. (5/10)

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